ACP
Advance Care Planning
Deutschland

ACP Konkret

Rechtliche Grundlagen

In einer Patientenverfügung können verbindlich Wünsche zur Durchführung oder Ablehnung medizinischer Maßnahmen festgelegt werden. Wenn eine Person nicht mehr über die eigene Behandlung entscheiden kann, ist es Aufgabe des rechtlichen Vertreters, den Behandlungswillen der betroffenen Person, zu ermitteln und umzusetzen. Dazu kann auch die vorausschauende Planung für zukünftige Verschlechterungen des Gesundheitszustandes gehören.

Mit dem 3. Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts (BtÄndG, sog. „Patientenverfügungsgesetz“) wurde im Jahr 2009 in Deutschland die Patientenverfügung im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert (§1901a Abs. 1 BGB) und ist somit für Ärzte und medizinisches Fachpersonal verbindlich. Eine Person, die einwilligungsfähig und volljährig ist, kann in einer Patientenverfügung schriftlich ihre Wünsche zur Durchführung oder Ablehnung medizinischer Maßnahmen festlegen. Diese sind umzusetzen, sofern die Person nicht selbst entscheiden kann, d.h. einwilligungsunfähig ist und die in der Patientenverfügung beschriebene Situation eingetreten ist. Es ist dann die Aufgabe des Bevollmächtigten oder rechtlichen Betreuers (allgemein: des rechtlichen Vertreters), dafür zu sorgen, dass der dokumentierte Wille der einwilligungsunfähigen Person umgesetzt wird. (§1901a Abs. 2 BGB; vgl. auch BGH Beschluss vom 17.09.2014 – XII ZB 202/13).

Rechtlich verbindlich wird die Patientenverfügung durch die eigenhändige Unterschrift der einwilligungsfähigen, volljährigen Person, ansonsten sind keine weiteren Form- oder Verfahrensvoraussetzungen für eine rechtliche Gültigkeit vorgeschrieben. Insbesondere sind auch keine ärztliche Beratung, notarielle Beurkundung oder regelmäßige Aktualisierung rechtlich vorgeschrieben, damit eine Patientenverfügung gültig ist. Die Reichweite der Patientenverfügung ist nicht auf bestimmte Erkrankungen oder Krankheitsstadien beschränkt. Der Betroffene kann die Patientenverfügung jederzeit formlos widerrufen.

Bei Personen, die nicht selbst entscheiden können und ihre Behandlungswünsche nicht in einer auf die Situation zutreffenden Patientenverfügung niedergelegt haben, ist es Aufgabe ihres rechtlichen Vertreters, den (mutmaßlichen) Behandlungswillen des zu Vertretenden zu ermitteln und diesem zur Umsetzung zu verhelfen. Dabei ist der Patient soweit wie möglich und zumutbar einzubeziehen. Auch Angehörige oder andere Vertrauenspersonen sollen möglichst einbezogen werden. Einige gewichtige Gründe sprechen dafür, den (mutmaßlichen) Willen der dauerhaft einwilligungsunfähigen Person schon im Voraus mit dem Vertreter ausführlich im Rahmen einer BVP-Gesprächsbegleitung zu eruieren und schriftlich zu dokumentieren. So kann im Fall einer künftigen gesundheitlichen Verschlechterung bzw. Krisensituation die Entscheidung schnell und im Sinne der einwilligungsunfähigen Person getroffen werden. Sie kann geboten sein, wenn der mutmaßliche oder früher mündlich geäußerte Behandlungswille der vertretenen Person auf diese Weise am besten oder sogar nur auf diese Weise zur Geltung gebracht werden kann. Von besonderer Bedeutung ist es dabei, das Vorgehen in Notfällen, in denen innerhalb von Sekunden oder Minuten entschieden werden muss (z.B. über die Durchführung eines Wiederbelebungsversuchs) im Voraus zu besprechen. Näheres hierzu siehe BVP mit Vertretern.

§ 132 SGB V

§132g SGB V ermöglicht Einrichtungen der stationären Altenhilfe und der Eingliederungshilfe den Bewohnern durch die Krankenkasse finanzierte Gespräche zu gesundheitlichen Versorgungsplanung anzubieten.

Für einige Gruppe der Bevölkerung ermöglicht §132g Sozialgesetzbuch (SGB) V ein kassenfinanziertes Angebot von Gesprächen zur gesundheitlichen Versorgungplanung. Bewohner und Bewohnerinnen in stationären Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe können eine fachlich qualifizierte Unterstützung bei der Vorausplanung erhalten, die von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt wird (BVP gemäß 132g SGB V). Zu betonen ist, dass die Annahme dieses Angebotes durch die Bewohner und/oder ihre rechtlichen Vertreter freiwillig ist.

Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts („Patientenverfügungsgesetz“)

vom 29. Juli 2009 (Auszug, BGBl. S. 2286)

§ 1827 BGB Patientenverfügung; Behandlungswünsche oder mutmaßlicher Wille des Betreuten

(1) Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation des Betreuten zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden.

(2) Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation des Betreuten zu, hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt. Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung des Betreuten.

(4) Der Betreuer soll den Betreuten in geeigneten Fällen auf die Möglichkeit einer Patientenverfügung hinweisen und ihn auf dessen Wunsch bei der Errichtung einer Patientenverfügung unterstützen.

(5) Niemand kann zur Errichtung einer Patientenverfügung verpflichtet werden. Die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverfügung darf nicht zur Bedingung eines Vertragsschlusses gemacht werden.

(6) Die Absätze 1 bis 3 gelten für Bevollmächtigte entsprechend.

§ 1828 BGB Gespräch zur Feststellung des Patientenwillens

(1) Der behandelnde Arzt prüft, welche ärztliche Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist. Er und der Betreuer erörtern diese Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die nach § 1827 zu treffende Entscheidung.

(2) Bei der Feststellung des Patientenwillens nach § 1827 Absatz 1 oder der Behandlungswünsche oder des mutmaßlichen Willens nach § 1827 Absatz 2 soll nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betreuten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, sofern dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Bevollmächtigte entsprechend.

§ 1829 BGB Genehmigung des Betreuungsgerichts bei ärztlichen Maßnahmen

(1) Die Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Ohne die Genehmigung darf die Maßnahme nur durchgeführt werden, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist.

(2) Die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet.

(3) Die Genehmigung nach den Absätzen 1 und 2 ist zu erteilen, wenn die Einwilligung, die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betreuten entspricht.

(4) Eine Genehmigung nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht erforderlich, wenn zwischen Betreuer und behandelndem Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1827 festgestellten Willen des Betreuten entspricht.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nach Maßgabe des § 1820 Absatz 2 Nummer 1 für einen Bevollmächtigten entsprechend.

BVP-Gesprächsbegleitung

Der Gesprächsprozess ist das Herzstück einer Vorausplanung. Unter Begleitung durch einen qualifizierten Gesprächsbegleiters nehmen der Vorausplanende und weitere relevante Personen daran teil. Die im Gespräch entwickelten Einstellungen und Festlegungen werden anwendungstauglich dokumentiert.

Befähigung der vorausplanenden Person

Das Herzstück eines BVP-Programms ist ein qualifizierter Gesprächsprozess, der den Vorausplanenden dazu unterstützt, selbst Präferenzen für zukünftige Behandlungen bei Einwilligungsunfähigkeit zu entwickeln und aussagekräftig in einer Vorausverfügung zu dokumentieren. Spezifisch hierfür geschultes Gesundheitsfachpersonal begleitet den in der Regel mehrzeitigen Gesprächsprozess. Um den nicht-direktiven Charakter der Unterstützung des Planungsprozesses zu verdeutlichen, wird die neue professionelle Rolle im Englischen als „facilitator“, im Deutschen als „BVP-Gesprächsbegleiter“ bezeichnet. Die Gespräche sind aus einer Haltung des Respekts vor dem Gegenüber, mit Empathie und nicht direktiv zu führen. Dies stellt große Herausforderungen an die kommunikativen Fähigkeiten des Gesprächsbegleiters und seine fortgesetzte Bereitschaft zur Selbstreflexion.

Sofern möglich und gewünscht sollten die designierten Vertreter (Bevollmächtigte oder Betreuer) und/oder andere nahestehende Personen an dem Gespräch beteiligt werden. Die Aufgabe der BVP-Gesprächsbegleitung wird meist von anderen Berufsgruppen als Ärzten übernommen (z.B. Sozialpädagogen/Sozialarbeiter, Psychologen, Seelsorger, Pflegewissenschaftler, Pflegefachkräfte), wobei besondere kommunikative Qualifikationen bereits als Zugangsvoraussetzung zum BVP-Training vorhanden sein sollten. Der (möglichst ebenfalls entsprechend geschulte) behandelnde (Haus-)Arzt wird bei offenen medizinischen Fragen hinzugezogen. Zudem bestätigt er durch seine Unterschrift die Einwilligungsfähigkeit und – im Sinne eines Vier-Augen-Prinzips – das Verständnis der Implikationen der getroffenen Festlegungen, also ihrer Bedeutung und möglichen Folgen. Insgesamt soll die Gesprächsbegleitung einen Prozess der gemeinsamen Entscheidungsfindung („Shared Decision Making“) hinsichtlich möglicher zukünftiger medizinischer Entscheidungssituationen sowie darüberhinausgehender pflegerischer, psychosozialer und spiritueller Wünsche gewährleisten. Die resultierenden Festlegungen können damit den in der Medizin verbreiteten Standard eines wohlinformierten Einverständnisses (Informed Consent) erfüllen.

Der Inhalt des Gesprächsprozesses soll gewährleisten, dass in zukünftigen medizinischen Entscheidungssituationen, die mit Verlust der Einwilligungsfähigkeit einhergehen, die Behandlung dennoch den Wünschen des Patienten entspricht. Das setzt voraus, dass das später möglicherweise tatsächlich auftretende Szenario durch die BVP-Gesprächsbegleitung und die korrespondierende BVP-Dokumentation ausreichend klar vorweggenommen wurde. Das ist möglich, wenn die BVP-Gesprächsbegleitung neben allgemeinen Einstellungen zu Leben, schwerer Krankheit und Sterben drei separate medizinische Szenarien abdeckt, die sich durch die Verfügbarkeit prognostischer Informationen unterscheiden und damit eine jeweils spezifische Vorausplanung erfordern. Mit der Benennung eines Bevollmächtigten ergeben sich dann insgesamt 5 Gesprächsabschnitte (zur Dokumentation vgl. den Abschnitt BVP-Dokumentation).

Gesprächsinhalte

Die Grundlage für alle weiteren Festlegungen sind die Einstellungen der betroffenen Person zum Leben, zu schwerer Krankheit und zum Sterben. Darauf aufbauend können verschiedene medizinische Szenarien besprochen werden.

1. Einstellungen zu Leben, schwerer Krankheit und Sterben:

Im BVP-Gesprächsprozess geht es vor allem darum zu ermitteln, welches Ziel die therapeutischen Bemühungen in konkreten Entscheidungssituationen verfolgen sollen. Dazu ist es wichtig zunächst zu erörtern, welche Einstellungen der Betroffene allgemein zu Leben, schwerer Krankheit und Sterben sowie zum Einsatz lebensverlängernder Behandlungen hat. Die ermittelten Einstellungen bilden Grundlage und Orientierung für die dann folgenden Festlegungen zu konkreten medizinischen Entscheidungssituationen. Zudem erlauben sie die Ableitung eines mutmaßlichen Patientenwillens, wenn die aktuelle Behandlungssituation nicht von der Patientenverfügung abgedeckt ist (vgl. Dokumentationsbogen Einstellung zum Leben).

2. Lebensbedrohlicher Notfall mit akutem Verlust der Entscheidungsfähigkeit:

In Notfallsituationen müssen Behandlungsentscheidungen meist innerhalb kürzester Zeit getroffen werden, ohne dass belastbare Informationen zur Prognose vorliegen. Dies bedeutet: Es kann zu dem Zeitpunkt nicht vorhergesagt werden, welche kurz- oder langfristigen Beeinträchtigungen in Folge der Erkrankung und/oder Behandlung eintreten werden und ggf. mit welcher Wahrscheinlichkeit. Der Betroffene kann daher nur unabhängig von der jeweiligen Ursache (und der damit verbundenen Prognose) der akuten Krise festlegen, in welchem Umfang lebensverlängernde Behandlungen durchgeführt werden sollen. Zur eindeutigen, schnell erfassbaren Dokumentation des diesbezüglichen Patientenwillens hat sich ein ärztlich mitverantworteter Notfallbogen bewährt (vgl. Dokumentationsbogen Ärztliche Anordnung für den Notfall).

3. Krankenhausbehandlung bei Einwilligungsfähigkeit unklarer Dauer:

Bei einer akuten schwerwiegenden Erkrankung, die voraussichtlich mit einer länger andauernden Entscheidungsunfähigkeit einhergeht, sind meist günstigere und ungünstigere Verläufe mit jeweils unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten vorstellbar. Im Rahmen der BVP-Gesprächsbegleitung können Anhaltspunkte dafür erarbeitet werden, ob angesichts eines exemplarischen ungünstigen Verlaufs (z.B. Versterben im Krankenhaus ungeachtet aller Bemühungen oder Entlassung mit bleibender schwerster Behinderung) das Behandlungsziel von der Lebensverlängerung zur ausschließlichen Leidenslinderung geändert werden soll und wenn ja, bei welcher Eintrittswahrscheinlichkeit des ungünstigen Verlaufs (vgl. Dokumentationsbogen Krankenhausbehandlung).

4. Behandlung bei dauerhafter Einwilligungsunfähigkeit:

In diesem Zustand, der zum Beispiel durch ein schweres Schädel-Hirn-Trauma oder eine fortgeschrittene Demenzerkrankung entstehen kann, ist die Prognose hinsichtlich eines Wiedererlangens der verlorenen kognitiven Fähigkeiten sicher infaust. Behandlungsentscheidungen werden immer dann erforderlich, wenn der Zustand selbst oder aber zusätzlich auftretende schwere Erkrankungen zu einer lebensbedrohlichen Krise führen. Im Begleitungsgespräch muss deutlich werden, dass sich die Zustände einer dauerhaften Einwilligungsunfähigkeit in ihrer Ausprägung und den damit einhergehenden Einschränkungen erheblich unterscheiden und insbesondere mit subjektiver Lebensfreude und -zufriedenheit verknüpft sein können. Das anzustrebende Behandlungsziel kann entweder von dem Betroffenen pauschal für alle Zustände mit dauerhafter Einwilligungsunfähigkeit festgelegt oder aber von der Ermittlung des Patientenwillens in der dann jeweils gegebenen Situation durch den Vertreter abhängig gemacht werden. Dies kann in Verbindung mit entsprechenden Hinweisen geschehen, unter welchen konkreten Voraussetzungen der Vertreter in diesem Zustand das Therapieziel ändern soll (vgl. Dokumentationsbogen, dauerhafter Einwilligungsunfähigkeit).

5. Rechtliche Vertretung:

In diesem Gesprächsabschnitt kann der Betroffene mit Unterstützung des BVP-Gesprächsbegleiters überlegen, welche Person seines Vertrauens willens und in der Lage ist, im Falle der Einwilligungsunfähigkeit als Vorsorgebevollmächtigter oder rechtlicher Betreuer die rechtliche Vertretung zu übernehmen. Diese Person kann dann durch eine Vorsorgevollmacht legitimiert oder in einer Betreuungsverfügung als Betreuer vorgeschlagen werden. Nach Möglichkeit sollte die Person dann bei einem Folge-BVP-Gespräch hinzugezogen werden, um die Wünsche des zu Vertretenden vom ihm selbst zu erfahren und zu klären, ob er sie mittragen und umsetzen kann. Hinweise zur Gesprächsbegleitung bei der Vorausplanung mit dem Vertreter einer einwilligungsunfähigen Person finden Sie im folgenden Abschnitt.

BVP mit Vertretern

Eine Voraussetzung um selbst über die medizinische Behandlung entscheiden oder eine Patientenverfügung verfassen zu können, ist die die sogenannte „Einwilligungsfähigkeit“. Unter Einwilligungsfähigkeit wird die Fähigkeit des Menschen verstanden, die Tragweite, Bedeutung und Risiken der anstehenden Entscheidung für sich zu erfassen („Einsichtsfähigkeit“), sein Urteil zu bilden und danach zu handeln („Steuerungsfähigkeit“)* . Diese Fähigkeit kann dauerhaft (z.B. weit fortgeschrittene Demenz, Wachkoma) oder vorübergehend (z.B. nach einem Unfall) nicht vorhanden sein.

Bei Personen, die nicht selbst entscheiden können und ihre Behandlungswünsche nicht in einer auf die Situation zutreffenden Patientenverfügung niedergelegt haben, ist es Aufgabe ihres rechtlichen Vertreters (Vorsorgebevollmächtigter/ Betreuer), den (mutmaßlichen) Behandlungswillen des zu Vertretenden zu ermitteln und diesem zur Umsetzung zu verhelfen.
Zunächst wird versucht, ob der Betroffene durch Unterstützung nicht doch die Schwelle zur Einwilligungsfähigkeit überschreiten kann. Ist dies nicht möglich, kann der rechtliche Vertreter mit dem Gesprächsbegleiter eine „Vertreterdokumentation“ erstellen.
Dabei werden gemeinsam mit dem Arzt und weiteren Vertrauenspersonen alle verfügbaren Informationen hinsichtlich des geäußerten oder mutmaßlichen Willens bezüglich weiterer Therapieziele und Behandlungsoptionen gesammelt. Der Betroffene wird dabei so weit wie möglich und zumutbar aktiv einbezogen. Das Ergebnis der Willensermittlung wird in einem hierfür vorgesehenen BVP-Formular der „Vertreterdokumentation“ dokumentiert.

Einige gewichtige Gründe sprechen dafür, den (mutmaßlichen) Willen der dauerhaft einwilligungsunfähigen Person schon im Voraus mit dem Vertreter ausführlich im Rahmen einer BVP-Gesprächsbegleitung zu eruieren und schriftlich zu dokumentieren. Durch rechtzeitige Gespräche kann der Wille des Betroffenen in Ruhe und ohne akuten Handlungsdruck ermittelt werden. So kann im Fall einer künftigen gesundheitlichen Verschlechterung bzw. Krisensituation die Entscheidung schnell und im Sinne der einwilligungsunfähigen Person getroffen werden. Von besonderer Bedeutung ist dabei, das Vorgehen in Notfällen, in denen innerhalb von Sekunden oder Minuten entschieden werden muss (z.B. über die Durchführung eines Wiederbelebungsversuchs) im Voraus zu besprechen.

* Bundesärztekammer, Ärzteblatt 2019 S. A1133

BVP-Dokumentation

Die Einstellungen und der Behandlungswille der betroffenen Person kann nur dann beachtet werden, wenn er bekannt ist. Daher ist es sinnvoll sie zu dokumentieren. Dazu wurden spezielle, anwendungstaugliche Dokumente entwickelt.

Aussagekräftig dokumentieren, was Menschen für sich festgelegt haben

Da es immer wieder falsch verstanden wird, muss es ebenso oft wiederholt werden: Das Entscheidende an BVP ist nicht ein besonders elegantes Formular, sondern die Gewährleistung einer qualifizierten Gesprächsbegleitung.

Ohne die BVP-Gesprächsbegleitung ist alles nichts!

Die Wortwahl der Formulare der ACP Deutschland richtet sich nicht primär an den Laien, der das Formular ausfüllt, sondern an die Experten, die die Verfügung im Notfall anzuwenden haben. Der Text verwendet Fachsprache und sieht Festlegungen für komplexe künftige medizinische Szenarien vor; er wird sich Laien in der Regel nur im Rahmen einer Gesprächsbegleitung erschließen. Es wird daher dringend empfohlen, dieses Formular nur mit Unterstützung einer professionellen Gesprächsbegleitung durch eine nach den Standards der ACP Deutschland zertifizierte Fachperson bzw. die ÄNo mit dem Hausarzt auszufüllen. Andernfalls drohen Missverständnisse mit fatalen Folgen, etwa die Unterlassung einer Maßnahme im Notfall (mit Todesfolge), deren lebensrettende Durchführung gewollt gewesen wäre.

Für eine verlässliche Umsetzung der Vorausplanung in der klinischen Praxis ist es unverzichtbar, dass die im Gesprächsprozess ermittelten individuellen Festlegungen in aussagekräftigen Formularen dokumentiert werden. Eine (über-)regionale Einheitlichkeit der Formulare ist wünschenswert, damit alle Akteure im Gesundheitswesen – vom Rettungsdienst bis hin zum Personal einer Intensivstation im Krankenhaus – damit vertraut sind und die dokumentierten Festlegungen richtig interpretieren und bei Behandlungsentscheidungen verlässlich umsetzen.

Die Formulare dürfen dabei, der Intention des Gesetzgebers beim sog. Patientenverfügungsgesetz entsprechend, die Wahlmöglichkeiten der Betroffenen nicht vorab einschränken. Den Vorausplanenden muss vielmehr das gesamte Spektrum möglicher Präferenzen zur Verfügung stehen, von der uneingeschränkten lebensverlängernden Therapie bis hin zu einer ausschließlich palliativen Behandlung und Versorgung. Die in diesem Sinne von der ACP Deutschland entwickelten Formulare sind so präzise wie nötig, um die Präferenzen angemessen widerzuspiegeln, und dabei so knapp wie möglich (maximal eine Seite pro Entscheidungssituation), damit sie in der Entscheidungssituation vom Gesundheitspersonal schnell erfasst und umgesetzt werden können.

Vorrangig geht es dabei um die Dokumentation des Therapieziels, das aus Sicht des Betroffenen in der jeweils beschriebenen Behandlungssituation verfolgt werden soll. Sofern das Therapieziel in der uneingeschränkten Lebensverlängerung liegt, ist es weder erforderlich noch praktikabel, einzelne lebensverlängernde Maßnahme aufzuzählen. Gleichermaßen erübrigt sich eine detaillierte Auflistung der zu unterlassenden lebensverlängernden Maßnahmen, wenn ein ausschließlich palliatives Behandlungsziel verfolgt werden soll (zur Bestimmtheit unmittelbar rechtswirksamer Patientenverfügungen vgl. auch die einschlägigen BGH-Beschlüsse.

Einzelne lebensverlängernde Behandlungsmaßnahmen sind hingegen dann zu benennen, wenn sie aufgrund ihrer Belastungen und Risiken oder der damit einhergehenden Prognoseverschlechterung ausdrücklich nicht durchgeführt werden sollen (Einschränkung der Mittel bei einem vorgegebenen Ziel der Lebensverlängerung).

Die Formulare sind inhaltlich an der Struktur des Gesprächsprozesses orientiert. Die Festlegungen für die medizinischen Entscheidungssituationen haben dabei eine analoge Grundstruktur:

  • Mit Option A wünscht der Betroffene in der jeweils beschriebenen Situation eine uneingeschränkte Behandlung mit dem Ziel der Lebensverlängerung.
  • Option C entspricht einem palliativen Behandlungsziel, d.h. hier sollen Maßnahmen mit dem Ziel der Lebensverlängerung nicht mehr angewendet werden.
  • Mit der mittleren Option B kann der Vorausplanende die Mittel zum Erreichen des Behandlungsziels der Lebensverlängerung einschränken oder das Behandlungsziel von der Prognoseabschätzung bzw. der aktuellen Erkrankungssituation abhängig machen.

Auf Grundlage umfangreicher Erfahrungen verschiedener BVP-Implementierungen in den letzten 10 Jahren hat die ACP Deutschland ein Patientenverfügungsformular entwickelt, das neben den persönlichen Angaben, Erläuterungen und Unterschriften vier zentrale Planungsbereiche umfasst, in denen die Vorausplanenden ihre Präferenzen dokumentieren können:

  1. Einstellungen zu Leben, schwerer Krankheit und Sterben als allgemeine Standortbestimmung zur Therapiezielfindung
  2. Die Ärztliche Anordnung für den Notfall (ÄNO) mit Festlegungen für lebensbedrohliche Notfallsituationen mit Verlust der Einwilligungsfähigkeit aus dem aktuellen Gesundheitszustand heraus
  3. Festlegungen für eine Krankenhausbehandlung bei Einwilligungsunfähigkeit unklarer Dauer
  4. Festlegungen für die Behandlung bei dauerhafter Einwilligungsunfähigkeit

Auf einem separaten Formular, wie es bei verschiedenen Adressen (z.B. dem Bundesministerium für Justiz) kostenlos im Internet heruntergeladen werden kann, ist außerdem ggf. die Benennung eines Bevollmächtigten (oder eines Betreuers) zu dokumentieren (Vorsorgevollmacht bzw. Betreuungsverfügung).

Für die Vorausplanung für eine nicht einwilligungsfähige Person (BVP mit Vertretern) durch dessen rechtlichen Vertreter (Bevollmächtigter oder Betreuer) hat die ACP Deutschland ein Formular für eine Vertreterdokumentation (Link auf das Musterdokument als pdf) entwickelt. Auch dieses Formular orientiert sich inhaltlich an der Struktur des Vorausplanungsgesprächs mit dem Vertreter.

BVP-Patientenverfügung – Erste Seite
BVP-Patientenverfügung – Einstellungen zu Leben …
BVP-Patientenverfügung – Notfallbogen (Äno)
BVP-Patientenverfügung – Einwilligungsunfähigkeit unklarer Dauer z.B. Krankenhaus
BVP-Patientenverfügung – dauerhafter Einwilligungsunfähigkeit

Hinweis
Die hier abgedruckten Auszüge aus der Patientenverfügung der ACP Deutschland, insbesondere der Notfallbogen ÄNo, sind ausschließlich für den Gebrauch durch ACP Deutschland-zertifizierte Gesprächsbegleiter bestimmt und bedürfen zudem der Integration in eine systematische regionale BVP-Implementierung. Andernfalls besteht ein hohes Risiko für fatale Missverständnisse – mit der Folge, dass Menschen entgegen ihrem eigentlichen Willen (nicht mehr) lebensverlängernd behandelt werden.